Was tun, wenn…

Was tun, wenn…
MIKA arbeitet mit einem erweiterten Musikverständnis und einer partizipativen, kindzentrierten Haltung. Das ist manchmal ungewohnt für deine Teammitglieder oder die Eltern. Hier findest du Hilfe bei aufkommenden Unsicherheiten im Team oder auch für Elterngespräche über MIKA.
Was tun, wenn meine Teammitglieder einem anderen Musikverständnis folgen?
Meinem Teammitglied ist die Musik der Kinder zu laut.
Ich suche das Gespräch und beschreibe, welchen Erfahrungsgewinn die Kinder aus meiner Sicht durch diese Spielform haben. Auf diese Weise gelingt es uns, Verständnis für die Intentionen der Kinder zu entwickeln. Außerdem wecke ich auch die Neugier, im Tun der Kinder deren Fragen und Lernwege aufzuspüren. Der chaotischen und lauten Kindermusik können wir nun viel mehr abgewinnen.
Mein Teammitglied möchte nicht, dass Musikinstrumente zweckentfremdet werden.
Als Erstes frage ich nach Gründen hierfür. Hat das Teammitglied die Erfahrung gemacht, dass Musikinstrumente dabei kaputt gehen oder die Sorge, dass sie beschädigt werden könnten? Sind Musikinstrumente zu wertvoll, um als Klangwerkzeuge mit ihnen zu experimentieren? Gemeinsam schauen wir uns die Musikinstrumente an und entscheiden, welche robust genug und welche eher zerbrechlich gebaut sind. Außerdem erzähle ich, wie die Kinder beim Spielen ihre Realität nachempfinden. Als Katze, beim Steuern eines Löffel-Flugzeugs oder im Stuhl-Lastwagen wird Wichtiges gelernt: Die Kinder werden sich ihrer eigenen Erfahrungen und ihres bisher gesammelten Wissens bewusst.
Für meine Teammitglieder ist das Öffnen und Schließen eines Reißverschlusses keine Musik.
Ich sage, dass wir beide unterschiedliche Vorstellungen von Musik haben. Reißverschlüsse erzeugen Geräusche. Das interessiert mich, weil es auch Kinder interessiert. Ich nenne es Musik, weil wir mit den Möglichkeiten spielen, wie schnell/langsam, laut/leise, mit und ohne Pausen der Reißverschluss geschlossen werden kann.
Was tun, wenn beim freien Experimentieren die Kinder aus dem Ruder laufen?
Mir ist es zu laut, wenn viele Hände auf den Tisch trommeln.
Dann halte ich mir die Ohren zu! Den Kindern sage ich, was MIR zu laut ist und wie sich das für MICH anfühlt. Außerdem beschreibe ich, wie froh ich bin, dass ich meine Ohren durch das Zuhalten schützen kann.
So eine Trommelmeute putscht die Kinder auf und ich kann sie danach nicht mehr „eingefangen“!
Den Gedanken habe ich auch! Deshalb rege ich im Team ein Gespräch dazu an. Wir reden darüber, welche Gelegenheiten die Kinder im Kita-Alltag haben, um mit ihrer Kraft und vollen Energie etwas zu gestalten und zu erleben. Dabei tauschen wir uns auch dazu aus, wie häufig und wodurch die Kinder ausgebremst werden und sich dadurch Energie aufstaut, die dann bei der kleinsten Gelegenheit spürbar wird. Wir besprechen unsere eigenen Ängste vor der „rohen“ Gestaltungsenergie der Kinder ganz offen miteinander. Gemeinsam unterstützen wir uns dabei, Raum für die wilde Ausdruckskraft der Kinder zu finden und ihre musikalischen Werke darin zu entdecken.
Mein Teammitglied befürchtet, dass die Kinder womöglich in jeder Esssituation Tischmusik machen möchten.
Ich frage, warum das stören würde. Anschließend überlegen wir gemeinsam, wie wir den Kindern begreiflich machen können, dass die Essenszeit für Tischmusik ungeeignet ist. Zu einem späteren Zeitpunkt können wir dann gerne gemeinsam forschen. Meiner Erfahrung nach sind Kinder viel leichter dafür zu gewinnen, jetzt keine (oder nur kurz) Tischmusik zu machen, wenn es später ausreichend Gelegenheit dazu gibt.
Mir fehlt bei den Musikspielen der Kinder oft der rote Faden: Plötzlich fährt ein Lastwagen über das Meer und dann sollen auf einmal alle Bären sein. Da komme ich nicht mit!
Kinder – vor allem in der Gruppe – haben oft mehr Ideen, als Zeit und Raum eigentlich zulassen würden. Für mich gilt deshalb die einfache Regel: Die Urheber*innen des Spiels sind die Kinder! Wenn ich keinen Zusammenhang erkenne, dann erkenne ICH keinen Zusammenhang. Manchmal ist es gar nicht so einfach, nicht lenkend oder ordnend einzugreifen. Ich versuche dann, meine Neugier und Abenteuerlust zu wecken: „Wohin wird uns das alles führen?“ Manchmal erkenne ich in den Themensprüngen der Kinder trotzdem eine Art Regel. Bei einem Lastwagenspiel geht es z.B. immer um eine Art von Fortbewegung, ob als Lastwagen auf der Straße oder auf dem Meer oder als Bären im Wald. Wenn ich eine Regel entdecke, gelingt es mir besser, Impulse passend zum Spiel der Kinder zu entwickeln.
Die Kinder streiten schnell, wessen Idee die bessere ist.
Immer wieder erlebe ich, dass keine Einigung möglich ist. Die einen bestehen z.B. auf einer „Mäuse-Trippel-Musik“, die anderen auf „Windmusik“. Meistens schlage ich dann vor, abwechselnd zu spielen und zuzuhören: erst „Mäuse-Trippel-Musik“ und dann „Windmusik“. Anschließend erzähle ich, was ich zur Musik der Mäuse oder zu der Windmusik assoziiere. Das hilft, die jeweilige Musik weiterzuentwickeln. Manchmal gibt es dann auch Überläufer*innen, die plötzlich beide Musikideen weiterentwickeln wollen.
Wenn ich mit einem Kind Reißverschlussmusik mache, dann finden das auch andere Kinder interessant und ziehen ihre Jacken wieder aus.
Das kann passieren. Manchmal hilft der Impuls: „Jackenmusik ist heute die Musik von Nele. Bei dir bin ich heute gespannt, wie deine Hände klatschen, wenn wir nachher beim Gehen singen, oder wie deine Schuhe auf dem Waldboden klingen.“
Was tun, wenn Teammitglieder anderen pädagogischen Zielen folgen?
Sollten solche Spiele überhaupt durch Erwachsene gestört werden?
Tatsächlich können wir Spielverläufe durch unsere Ideen stören. Deshalb frage ich meist nach, ob ich mitspielen darf. Dann imitiere ich zuerst die Ideen der Kinder, um sie in ihrem Tun zu bestätigen. Die Kinder machen so die Erfahrung von Wirksamkeit. Wenn ich eigene Ideen einbringe, dann in der Regel ohne konkrete Zielsetzung. Es sind eher Impulse, wie z.B. ein Rasseln. Die Deutung des Rasselns kommt dann von einem Kind, das z.B. sagt: „Es regnet.“ und damit die Geschichte weitererzählt.
Mein Teammitglied meint, dass Kinder durch so viel Aufmerksamkeit in ihrem störenden Verhalten bestärkt werden.
Ich frage nach, ob das eine allgemeine Erfahrung ist, oder ob es sich konkret auf ein bestimmtes Kind bezieht. Ich frage mich selbst in Bezug auf das jeweilige Kind, ob ich ihm vor allem dann überwiegend Aufmerksamkeit schenke, wenn es meinen Handlungen oder Bitten Widerstand leistet. Ist dem so, bedanke ich mich bei meinem Teammitglied. Ich werde zukünftig darauf achten, diesem Kind mehr Aufmerksamkeit zu schenken, wenn es bei mir positive Empfindungen auslöst. Durch die musikalische Umdeutung einer Situation, die für das Kind und mich sehr stressig ist, kann Leichtigkeit erzeugt werden. Ich teile mit meinem Teammitglied, wie hilfreich das dann für mich ist. Und das Kind kann dabei die Erfahrung sammeln, dass es unterstützt wird, Lösungen für unangenehme Situationen zu finden, die es alleine noch nicht bewältigen kann.
Was tun, wenn ich mich ideenlos und nicht spontan genug fühle?
Vielleicht habe ich spontan keine Idee, wie ich Kinder, die sich abgrenzen, wieder ins Spiel zurückholen kann.
Es gibt Momente und Tage, an denen Spontanität und Ideen einfach fehlen. Ich benenne dann, was ich bei den Kindern wahrnehme: „Du hörst mit dem Trommeln auf“ oder „Du hältst dir die Ohren zu.“ Meistens liegt in der Reaktion der Kinder ein Impuls, mit dem ich die Richtung für IHR Spiel aufnehmen kann.
Was mache ich, wenn die Kinder auf meine Impulse nicht reagieren?
Wenn die Kinder auf meinen Impuls nicht reagieren, hat das immer einen Grund. Falls Gefahr besteht, dass ein Kind sich verletzt oder etwas kaputt geht, dann stoppe ich das Spiel natürlich. Sonst beobachte ich die Kinder und versuche zu verstehen, welche Erfahrungen sie in ihrem Spiel gerade suchen – so chaotisch es auch für mich aussehen mag. Mit ein wenig Geduld findet sich dann oft eine andere Idee der Kinder, die ich aufgreifen kann. Die Kinder merken so, dass Erwachsene sich Zeit für ihre Ideen nehmen, und erleben Partizipation und Wirksamkeit.
In so einer Stresssituation kann ich nicht ausreichend Geduld aufbringen.
Falls noch ein Teammitglied dabei ist, kläre ich über Blickkontakt schnell ab, wer von uns sich am entspanntesten auf die Situation einlassen kann. Bin ich für diese Situation verantwortlich, dann mache ich mir klar, dass auch für mich das Handeln mit Humor und Leichtigkeit am besten ist. Das hilft mir, mein in dieser Situation mögliches Maß an Geduld zu nutzen. Danach mache ich mir bewusst, dass ich meine momentanen Möglichkeiten ausgeschöpft und eine herausfordernde Situation so gut wie gerade möglich gemeistert habe.
Bei den Kindern klingt oft alles gleich: „Regen“ klingt genauso wie „Lastwagenbrummen“ und „Löwengebrüll“.
Mir fällt immer wieder auf, dass Kinder ihr musikalisches Spiel mit viel Bewegung und Körpereinsatz gestalten. Das führt dann oft dazu, dass vieles ähnlich klingt. Wenn ich das beobachte, frage ich mich zuerst, was die Intention der Kinder ist: Wollen sie Klänge imitieren oder sind sie von der puren Freude am Klang-Erzeugen getrieben? Manchmal biete ich den Kindern dann meine Assoziationen an: „Eure Lastwagenmusik klingt für mich nach einem sehr schnellen oder sehr schweren Lastwagen.“ Häufig beginnen die Kinder dann nachzuforschen, ob meine Assoziation stimmt. Sie fragen sich, was bei einem langsamen oder leichten Lastwagen anders klingen könnte.
 Manche Kinder sind auch noch zu jung, um Klänge zu interpretieren. Sie symbolisieren noch nicht, sondern entdecken eher: „So klingt also eine Trommel oder der Stuhl.“
Was tun, wenn unser Alltag, die Räume und Materialien mich begrenzen?
Wir haben keine Musikinstrumente in unserer Einrichtung.
Ich bitte die Kinder um kreative Ideen: „Mit welchen Gegenständen könnten wir Musik machen?“ Schließlich nutzen wir Stühle, Besteck, Alltagsmaterialien oder vorhandenes Spielzeug. Die Kinder erforschen bei der Suche nach den passenden Klängen die Klangeigenschaften von ganz unterschiedlichen Gegenständen. So entdecken wir, wie musikalische Ideen in unterschiedlichen Situationen oder Räumen mit den vorhandenen Materialien realisierbar sind.